Deutschlands Krisen-Land leistet sich Luxus-Fahrradparkhaus für 3,5 Millionen Euro

Während im Saarland die Wirtschaft schwächelt, sorgt Saarbrücken mit dem teuersten Fahrradparkhaus Deutschlands für Aufsehen – 3,5 Millionen Euro.

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Fahrradparkhaus Saarbrücken – das klingt nach Fortschritt, nach grüner Wende, nach Mobilität von morgen. Doch während die Landeshauptstadt feiert, steckt das Saarland wirtschaftlich im Rückwärtsgang. Mitten in einer Phase des Schrumpfens wird gebaut, was Kritiker längst als Symbol für fehlgeleitete Förderpolitik bezeichnen. 3,5 Millionen Euro für 144 Stellplätze – das ist mehr als nur eine Zahl.

Wenn Wirtschaft schrumpft – und Geld fließt

In keinem anderen Bundesland ging die Wirtschaft zuletzt so stark zurück wie im Saarland. Minus 1,9 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt, während der Bund zumindest auf Vorjahresniveau blieb. Viele Regionen kämpfen mit Wegzug, mit alter Industrie, mit Stillstand. Die Stahlbranche ächzt, Start-ups lassen sich kaum blicken, und selbst die Städte wirken wie angehalten – als hätte man vergessen, den Schalter auf „Modernisierung“ zu stellen.

Und doch wird jetzt investiert. Nicht in Infrastruktur, nicht in Sanierung maroder Brücken, sondern in ein Prestigeobjekt: das Fahrradparkhaus Saarbrücken. Die Stadt bekommt zwei sogenannte Velotürme direkt am Hauptbahnhof – elegant verglast, mit Dachbegrünung und „stadtverträglicher Gestaltung“. Der Bund zahlt den Löwenanteil: 3,1 Millionen Euro. Was gefeiert wird als Mobilitätswende, sorgt bei anderen für Kopfschütteln.

24.000 Euro pro Stellplatz – eine neue Benchmark?

Rechnet man nach, wird’s sportlich: 144 Fahrradstellplätze kosten in Saarbrücken insgesamt 3,5 Millionen Euro. Macht 24.000 Euro pro Platz. Zum Vergleich: Ein normaler, oberirdischer Pkw-Stellplatz kommt auf rund 18.000 Euro – und das für deutlich mehr Fläche und Technik. Ursprünglich waren 250 Fahrradplätze geplant. Jetzt sind’s deutlich weniger. Die Kosten blieben.

Trotzdem herrscht Aufbruchsstimmung im Stadtrat. Die Grünen loben den Beitrag zum Klimaschutz, die SPD sieht ein Signal für den Radverkehr, Oberbürgermeister Uwe Conradt spricht vom nächsten Schritt der Energiewende. Und während im Land Fördergelder für Brückensanierungen fehlen, wird das Fahrradparkhaus Saarbrücken zum Aushängeschild – mitten in der wirtschaftlichen Krise.

Förderlogik unter Zeitdruck

Was jetzt wirkt wie geplanter Fortschritt, begann mit einer stillen Ankündigung im Sommer 2023. Lange passierte nichts – bis klar wurde, dass das Projekt 2027 abgerechnet sein muss, sonst droht der Fördertopf zu verfallen. Und wenn Berlin Geld schickt, sagt in der Kommune keiner Nein.

In einer Sondersitzung ging es plötzlich schnell. Die Türme müssen kommen, und zwar bald. Zwei schlanke Baukörper, rund zehn bis dreizehn Meter hoch, sollen das neue Aushängeschild für Radfahrer werden. Ob das wirklich gebraucht wird? Eher Nebensache. Hauptsache, das Budget wird ausgeschöpft.

Das Fahrradparkhaus Saarbrücken steht damit sinnbildlich für eine Politik, die sich am Geld orientiert – nicht an der Notwendigkeit. Kritiker aus dem Bezirksrat mahnten: Vielleicht wäre es klüger, erst ein durchgängiges Radwegenetz zu bauen, bevor man teure Türme errichtet. Doch gegen das Schlagwort „Klimaschutz“ mag sich niemand stellen. Das Risiko: Wer bremst, wirkt rückwärtsgewandt.

Symbolpolitik statt Strukturhilfe

Während über Glasfassaden diskutiert wird, bleiben viele Probleme ungelöst. Die strukturellen Schwächen des Saarlands werden durch das Fahrradparkhaus Saarbrücken nicht kleiner. Neue Jobs schafft es nicht, Investoren lockt es nicht an. Und selbst der Nutzen für den Radverkehr ist fraglich – denn die täglichen Pendler brauchen Wege, nicht Parkhäuser.

Auch der Steuerzahlerbund hat sich eingeschaltet. Er sieht das Projekt kritisch – und verweist auf ähnliche Fälle, etwa in Schwerin, wo ein vergleichbarer Turm fast genauso teuer war. Autoparkhäuser gelten als günstiger und wirtschaftlicher im Betrieb. Die Debatte um Sinn und Unsinn dieser Projekte scheint vorhersehbar – aber sie wird kaum geführt.

Das Institut für Energie- und Umweltforschung zeigt in Zahlen, dass ein PKW-Stellplatz im Schnitt 6.000 Euro günstiger ist. Und dass 40 Prozent der ursprünglich geplanten Fahrradplätze gestrichen wurden, wird in der öffentlichen Euphorie kaum erwähnt.

Das Fahrradparkhaus Saarbrücken ist gebaut aus Geld, Druck und gutem Willen. Es steht für den Versuch, Fortschritt sichtbar zu machen – auch wenn er nicht ins Umfeld passt. Und es zeigt, wie Fördermittel ganze Städte in Bewegung setzen können, obwohl die Richtung fraglich bleibt. Wer genauer hinsieht, erkennt: Hier geht’s nicht ums Fahrrad, sondern ums System. Und darum, was geschieht, wenn Symbolik über Substanz regiert.

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